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EpiG: „Maskenbefreiungsattest“ – Notwendigkeit einer nachvollziehbaren Darstellung der Diagnoseerstellung und Auswirkung der Beschwerden im konkreten Fall


LVwG-S-1749/001-2021, 14.09.2021

Für die Anwendung der Ausnahmebestimmung von der Tragepflicht von Masken (§ 16 COVID-19-SchuMaV) ist eine ernsthafte und fachlich fundierte Begründung im Hinblick auf die konkreten gesundheitlichen Beschwerden des Betroffen, insbesondere auch im Hinblick auf den Zweck der Befreiung, geboten. Dies ergibt sich aus § 55 ÄrzteG, wonach für ärztliche Zeugnisse eine „gewissenhafte ärztliche Untersuchung“ sowie eine „genaue Erhebung der im Zeugnis zu bestätigenden Tatsachen“ normiert ist. Diese Regelung gilt auch für ärztliche Gutachten, Bestätigungen oder Bescheinigungen (vgl. Aigner/Kierein/Kopetzki, Ärztegesetz 3. Aufl, § 55 FN 2).

Bestehen Zweifel an der Richtigkeit der Beurteilung, weil im vorgelegten „Maskenbefreiungsattest“ keine nachvollziehbare Darstellung, auf welcher Grundlage die Diagnose erstellt wurde, existiert und wie sich die gesundheitlichen Beschwerden im konkreten Fall auswirken, und fehlen Ausführungen, in welchem Ausmaß konkret das Tragen einer Maske unzumutbar ist, […] darf auf die Beurteilung und die Auskunft dieses Arztes nicht vertraut werden (vgl ua etwa sinngemäß zur Einholung von – auf vollständigen Sachverhaltsgrundlagen basierenden – Auskünften kompetenter Stellen oder sonstiger sachkundiger Personen und der Folgen, wenn Zweifel an der Richtigkeit der eingeholten Auskünfte bestehen müssen ua VwGH 87/02/0018 und VwGH 2011/09/0188, sowie weiterführende Ausführungen bei Wessely, in Raschauer/Wessely (Hrsg), VStG2 § 5 VStG, Rz. 26 bis 28, S. 156f).

Entspricht das „Maskenbefreiungsattest“ nicht den Erfordernissen des § 55 ÄrzteG, ist es nicht geeignet, als Bescheinigung iSd § 18 Abs 2 der 4. COVID-19-SchuMaV zu gelten.

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EpiG/NÖ GdVBG: Berechnung des Vergütungsanspruches bei vierteljährlichem Sonderzahlungsanspruch; kein einheitlicher Teilungsfaktor im EpiG vorgesehen


LVwG-AV-704/001-2021, 08.09.2021

Sonderzahlungen sind vom Entgeltbegriff des § 3 Abs 3 EFZG und damit des § 32 Abs 3 EpiG umfasst und sind daher bei der Bemessung der für jeden Tag der Absonderung nach § 7 EpiG zu leistenden Vergütung zu berücksichtigen (vgl VwGH Ra 2021/09/0094; Ro 2021/03/0007).

Die nach § 32 Abs 2 EpiG für jeden von der Absonderung umfassten Tag zu leistende Vergütung ist tageweise zu errechnen.

Eine Bestimmung wie etwa in § 44 Abs 2 ASVG oder § 19 Abs 6 B-KUVG, wonach der Kalendermonat einheitlich mit 30 Tagen anzunehmen ist, findet sich im EpiG nicht. Eine Umrechnung auf Teilperioden im Wege der Teilung durch einen einheitlichen Faktor (vgl zB VwGH 98/08/0287, zum Erstattungsbetrag nach dem EFZG) ist aufgrund der eindeutigen Regelung des § 32 Abs 2 EpiG daher bei der Ermittlung der Vergütung des Verdienstentgangs wegen einer Absonderung nach dem EpiG gesetzlich nicht vorgesehen.

Die Vergütung nach dem EpiG ist zwar (gemäß § 32 Abs 3 EpiG) nach dem regelmäßigen Entgelt zu bemessen, aber es handelt sich dabei um keine Entgeltfortzahlung nach § 3 EFZG, sondern um eine auf einem öffentlich-rechtlichen Titel beruhende Entschädigung des Bundes (vgl VwGH Ra 2021/09/0094); der originäre epidemierechtliche Anspruch auf Vergütung nach § 32 EpiG geht als lex specialis allfälligen arbeitsrechtlichen Entgeltfortzahlungsvorschriften vor (vgl Resch, Verhältnis Vergütung nach Epidemiegesetz zur arbeitsrechtlichen Entgeltfortzahlung, in: ecolex 2021/203, und Spitzl, Entgeltanspruch bei Quarantänemaßnahmen, in: ecolex 2021/204).

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EpiG/ZustG: Zustellung des Absonderungsbescheides per e-mail; Bekanntgabe der e-mail Adresse an 1450 ist nicht mit Bekanntgabe an die Behörde gleichzusetzen


LVwG-S-1484/001-2021, 30.08.2021

Eine elektronische Adresse gilt auch dann als bekanntgegeben, wenn der Einschreiter diese Adresse im Rahmen des anhängigen Verfahrens zur Kommunikation mit der Behörde benutzt hat. […]

Die Zustellung an eine elektronische Adresse des Empfängers, die der Behörde ausschließlich aus einem anderen Verfahren oder aus anderen Gründen bekannt geworden ist, ist unzulässig. Ebenso wenig ist eine bei einem Zustelldienst hinterlegte elektronische Adresse zur Verständigung durch den elektronischen Zustelldienst der Behörde iSd § 2 Z 5 ZustG bekanntgegeben (vgl. Kronschläger/Mauernböck, Elektronischer Rechtsverkehr mit Behörden und Gerichten des öffentlichen Rechts (Teil I), ZTR 2015, 230).

Nach dem expliziten Wortlaut des § 37 ZustG ist eine Bekanntgabe der elektronischen Zustelladresse an die Behörde selbst Voraussetzung für die wirksame Zustellung an diese. Die Bekanntgabe der E-Mail-Adresse an einen Mitarbeiter der allgemeinen und medial beworbenen Hotline 1450 kann nicht als Bekanntgabe an die Behörde gewertet werden.

Nach § 7 ZustG kann es auch im Anwendungsbereich des § 37 zur Heilung eines Zustellmangels kommen, wenn das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist (vgl Bumberger/Schmid, Praxiskommentar zum ZustG § 37 K 24).Entscheidend für das tatsächliche Zukommen ist die faktische Empfangnahme. [hier: Einlangen des E-Mails im Spam-Ordner bedeutete kein tatsächliches Zukommen. Die Möglichkeit der Kenntnisnahme und, darauf zuzugreifen, bewirkten keine Heilung gem § 7 ZustG].

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LDG 1984: Berücksichtigung von Berufspraxiszeiten für Vertragslehrer laut VO – Übertragbarkeit der Regelung auf Lehrpersonen im öff.-rechtl. Dienstverhältnis


LVwG-AV-646/001-2021, 01.09.2021

Nach § 4 Abs 1 der auf Vertragslehrer anzuwendenden VO BGBl II Nr 283/2015, sind bei einer Verwendung von Absolventinnen und Absolventen eines Lehramtsstudiums im Bereich der Allgemeinbildung unter anderem in der Sekundarstufe I Zeiten einer einschlägigen Tätigkeit im Kindergarten- und Hortwesen, soweit diese als ausgebildete Kindergarten- oder Hortpädagogin oder als Kindergarten- oder Hortpädagoge geleistet worden sind, im Ausmaß von bis zu vier Jahren anzurechnen. […] Schon aus Gründen der Gleichbehandlung ist die inhaltliche Regelung des § 4 Abs 1 der genannten VO auch auf in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehende Lehrpersonen im Bereich der Allgemeinbildung umzulegen.

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NÖ StarkstromwegeG/AVG: Frage der Anwendbarkeit des § 42 AVG im starkstromwegerechtlichen Verfahren


LVwG-AV-49/001-2021, 04.08.2021

Im starkstromwegerechtlichen Verfahren ist die Parteistellung desjenigen, dessen Grundstück unmittelbar in Anspruch genommen wird, nicht in der Weise einwendungsbezogen zu sehen, wie jene eines Nachbarn im Bauverfahren. Vielmehr muss es aus dem Blickwinkel der „Präklusion“ (genauer: des Verlustes der Parteistellung gemäß § 42 AVG) ausreichen, wenn sich der Eigentümer gegen die Maßnahme ausspricht (vgl VwGH 2003/05/0029 zu § 3 Abs 1 iVm § 7 Ktn ElektrizitätsG).

Der Gesetzgeber des UVP-G nimmt sowohl auf Änderungen bestehender Vorhaben als auch auf eine Überschreitung von Schwellenwerten durch Kumulierung mehrerer Anlagen in § 3 UVP-G sowie der damit korrespondierenden Anlage 1 Bedacht. Demnach hat – dem klaren Konzept eines Projektgenehmigungsverfahrens folgend (vgl VwGH 2012/03/0112) – die Prüfung einer UVP-Pflicht auf Grund einer Änderung eines bestehenden Projekts bzw einer Zusammenrechnung mit einem solchen erst dann zu erfolgen, wenn ein entsprechendes (Änderungs- bzw Erweiterungs-) Vorhaben zur Genehmigung eingereicht wird. Mögliche spätere Änderungen eines Vorhabens, die aktuell keinen Gegenstand der Genehmigung bilden sollen, haben hingegen bei der Prüfung der UVP-Pflicht außer Betracht zu bleiben.

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