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NÖ NSchG: Keine Beschwerdelegitimation der Standortgemeinde im Naturschutzverfahren gemäß § 27 Abs 2 NÖ NSchG 2000 idF LGBl Nr 26/2019


LVwG-AV-418/001-2022, 30.09.2022


Nach stRsp des VwGH […] kann auf die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid nur dann verzichtet werden, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergibt, dass die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch normativ rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend entschieden hat. Der normative Inhalt muss sich aus der Formulierung der Erledigung, also in dem Sinn auch aus deren Form ergeben. Die Wiedergabe einer Rechtsansicht, von Tatsachen, der Hinweis auf Vorgänge im Verfahren, Rechtsbelehrungen und dgl können nicht als verbindliche Erledigung und damit als Spruch im Sinn des § 58 Abs 1 AVG gewertet werden.

Vor dem Hintergrund der Vorgaben des Übereinkommens von Aarhus und der darauf Bezug nehmenden Rsp des EuGH (vgl EuGH C-240/09; C-664/15) wurde mit der Novelle zum NÖ NSchG, LGBl. 26/2019 die Rechtsstellung von anerkannten Umweltorganisationen im naturschutzrechtlichen Verfahren geregelt (vgl Ltg-506/A-1/30-2018, S 2f). Insbesondere hat der Gesetzgeber in § 27b NÖ NSchG ein Beteiligungsrecht von anerkannten Umweltorganisationen vorgesehen. Seither können Umweltorganisationen iSd § 27b Abs 1 NÖ NSchG gemäß § 38 Abs 10 NÖ NSchG gegen Bescheide nach § 10 Abs 1 und 2 sowie § 20 Abs 4 NÖ NSchG, sofern geschützte Tier- und Pflanzenarten […] betroffen sind und die bis zu einem Jahr vor Inkrafttreten dieses Gesetzes erlassen worden sind, Beschwerde an das LVwG erheben.  

Unter Bezugnahme auf die Rsp des EuGH hat der VwGH bereits wiederholt ausgesprochen, dass Umweltorganisationen „darauf beschränkt sind“, im Verfahren die Beachtung der aus dem Unionsumweltrecht hervorgegangenen Rechtsvorschriften überprüfen zu lassen […]. Die Verletzung anderer Bestimmungen (im Anlassfall solche des WRG 1959) können sie hingegen nicht geltend machen (vgl VwGH Ra 2020/07/0058). Die Beschwerde einer Umweltorganisation, die sich – alleine oder zumindest zum Teil – auf solche andere Beschwerdegründe stützt, ist daher unzulässig und (allenfalls teilweise) zurückzuweisen (vgl VwGH Ra 2019/07/0112).  

Bei Schaffung der Bestimmungen des § 27 NÖ NSchG 2000 hatte der Gesetzgeber das Ziel vor Augen, eine der ursprünglichen Regelung des § 14a NÖ NaturschutzG entsprechende Regelung zu treffen. Hierbei sollte die Parteistellung der Gemeinde inhaltlich präzisiert werden und die bis dahin im NÖ UmweltschutzG 1984 verankerte Parteistellung der NÖ Umweltanwaltschaft explizit im Naturschutzgesetz festgelegt werden (vgl VwGH 2001/10/0193 mit Verweis auf den Initiativantrag Ltg. 344/A-3/99 und die darin verwiesene RV vom 27.11.1997, RU5-NA-51/17, 51).  

Nach der Regelung des § 14a NÖ NaturschutzG war der Gemeinde lediglich die Stellung einer Legal- bzw Formalpartei eingeräumt, nicht aber in Ansehung der für den Naturschutz relevanten materiell-rechtlichen Bestimmungen ein subjektives Recht, dessen Verletzung sie vor dem VwGH geltend machen konnte (vgl VwGH 2001/20/0193; 97/10/0120 mwN). Gleiches hat daher für die „dieser Regelung entsprechende“ Rechtsstellung der Gemeinde nach § 27 NÖ NSchG 2000 zu gelten (vgl VwGH 2001/10/0193).  

Während § 27 NÖ NSchG 2000 der Umweltanwaltschaft neben der Parteistellung ausdrücklich auch das Beschwerderecht an das VwG einräumt, ist dies in Bezug auf die Gemeinde nicht der Fall (zur Rechtslage vor Einführung der mehrstufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit vgl auch Grabenwarter, Parteistellung und subjektive Rechte von Gemeinden in naturschutzrechtlichen Verfahren, RFG 2008/2, S 6). Dies kann […] nur so verstanden werden, dass zwar beiden Legalparteien in gleicher Weise „Parteistellung im Sinne des § 8 AVG“ (so die idente Formulierung in Abs 1 und Abs 2), also im verwaltungsbehördlichen Verfahren, eingeräumt wird, das Beschwerderecht nur der Umweltanwaltschaft, jedoch (e contrario) nicht der Gemeinde zustehen soll. Hätte der Gesetzgeber Gegenteiliges – also eine Beschwerdebefugnis sowohl der Umweltanwaltschaft als auch der Gemeinden – beabsichtigt, hätte er sich dieser differenzierenden Formulierung (in ein- und demselben Paragraphen) nicht bedient, zumal nicht im Zuge der Neufassung des Gesetzestextes im Rahmen der Novelle LGBl Nr 26/2019.  

Volltext der Entscheidung