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EU-QualitätsregelungenDG: behördliche Maßnahmen bei Beeinträchtigung der Integrität eines als ökologisch/biologisch gekennzeichneten Lebensmittels


LVwG-AV-2823/001-2023, 15.03.2024


Eine Beeinträchtigung der Integrität bedeutet, dass beim Erzeugnis Verstöße vorliegen, die jene Merkmale, die das Erzeugnis als ökologisches/biologisches Erzeugnis iSd VO(EU) 2018/848 kennzeichnen und auf die der Verbraucher bei einer solchen Bezeichnung vertrauen darf (ErwG 6), auf irgendeiner Stufe der Produktion, der Aufbereitung und des Vertriebs beeinträchtigen.

Der Umstand, dass sich die festgestellte Bestrahlung [hier: ionisierende Bestrahlung eines ökologisch/biologischen Erzeugnisses] nicht auf die menschliche Gesundheit auswirkt, vermag an der fehlenden Integrität iSd Art 3 Abs 74 der VO(EU) 2018/848 nichts zu ändern. Auch lässt sich der VO(EU) 2018/848 eine Toleranzgrenze bezogen auf Lebensmittel aus ökologischer/biologischer Erzeugung nicht entnehmen, wohingegen Art 30 Abs 6 lit c VO(EU) 2018/848 zufolge eine solche Grenze bezogen auf Futtermittel besteht. Die Frage der Beeinträchtigung der Integrität ist daher weder vom Ausmaß der Beeinträchtigung des Produkts, noch von einer möglichen Gesundheitsbeeinträchtigung abhängig zu machen.

Die Regelungen des EU-QuaDG und die auf dieser Grundlage ergriffenen Maßnahmen dienen nicht der Abwehr von Gesundheitsgefahren, sondern dem Schutz des Vertrauens des Verbrauchers in einen den publizierten Regeln der VO(EU) 2018/848 entsprechenden Produktionsprozess (vgl zu mit Chlorpyrifos verunreinigtes Getreide VwSlg 17.683 A/2009). Käme es nur auf den Anteil bestrahlten Materials in der Gesamtmenge an, ließe sich jede unterlaufene unzulässige Bestrahlung durch entsprechende nachträgliche Vermischung so weit reduzieren, dass eine Kennzeichnung unter Hinweis auf eine ökologische/biologische Erzeugung zulässig bliebe (VwSlg 17.683 A/2009).

Der Sinn und Zweck der Regelung des § 6 EU-QuaDG bringt es mit sich, dass es für die verwaltungspolizeilichen Maßnahmen unerheblich ist, wer die Integritätsbeeinträchtigung auf welcher Stufe (Produktion, Aufbereitung oder Vertrieb) verursacht hat, aber auch, ob dies bewusst oder unbewusst, vorsätzlich oder fahrlässig erfolgte (vgl VwSlg 17.683 A/2009; weiters BVwG W270 2213624-1). Ausschlaggebend ist vielmehr einzig und allein, dass eine Integritätsverletzung vorliegt oder – bezogen auf Maßnahmen nach Art 41 VO(EU) 2018/848 – ein diesbezüglicher Verdacht besteht.

Die Zulässigkeit einer verwaltungspolizeilichen Maßnahme nach § 6 EU-QuaDG kann nicht davon abhängen, ob sich auf einer bestimmten Stufe des Inverkehrbringens noch klären lässt, auf welche anderen Stufe durch wen und auf welche Art und Weise eine Kontamination herbeigeführt wurde. Wollte man diesem Ansatz nämlich folgen, würde das vorliegende Regime weitestgehend seiner Wirksamkeit beraubt, was dem Gesetzgeber nicht zugesonnen werden kann.

Zufolge Art 42 Abs 1 VO(EU) 2018/848 hat die Behörde bei einem festgestellten Verstoß sicherzustellen, dass bei der Kennzeichnung und Werbung für die gesamte betreffende Partie oder Erzeugung nicht auf die ökologische/biologische Produktion Bezug genommen wird. Diesbezüglich räumt der Uniongesetzgeber bei Integritätsverletzungen der Behörde keinerlei Ermessensspielraum ein, nimmt solcherart die Verhältnismäßigkeitsprüfung auf generell-abstrakter Ebene vorweg und streicht damit – was durch einen Blick auf Art 42 Abs 2 VO(EU) 2018/848 bestätigt wird – die Gravität einschlägiger Verstöße bezogen auf den Schutzzweck der Verordnung hervor [mit weiteren Ausführungen zur Primärrechtskonformität (Art 52 GRC)].

Volltext der Entscheidung