Skip to main content

NÖ BO 2014: 1. Verwirklichung der geschlossenen Bebauungsweise durch Sichtschutzwand; 2. Erhebung nach § 54 Abs 1 NÖ BO iZm „Punktparzellen“


LVwG-AV-1953/001-2021, 14.11.2022


Erachtet sich ein Nachbar durch einen bestehenden, nicht bewilligten Bau in Nachbarrechten verletzt, so hat er – unabhängig davon, ob ein Verfahren über einen Antrag nach § 70 Abs 6 NÖ BO 2014 bei der Baubehörde anhängig ist oder einem solchen Antrag bereits mit Bescheid stattgegeben wurde – das Recht, die Erlassung eines baupolizeilichen Auftrags gemäß § 34 Abs 2 oder § 35 NÖ BO 2014 zu beantragen, um sich gegen die Rechtsverletzung zur Wehr zu setzen.  

Da Nachbarn im Feststellungsverfahren nach § 70 Abs 6 NÖ BO 2014 keine Parteistellung zukommt (vgl VwGH Ro 2016/05/0007), kann ein nach dieser Gesetzesbestimmung erlassener Bescheid ihnen gegenüber keine Rechtswirkungen entfalten, und die Baubehörde kann sich in einem baupolizeilichen Verfahren nach § 34 Abs 2 oder § 35 NÖ BO 2014 dem Nachbarn gegenüber nicht auf die Bindungswirkung eines bereits gemäß § 70 Abs 6 NÖ BO 2014 rechtskräftig ergangenen Bescheides berufen.  

Aus dem Wortlaut des § 31 Abs 1 Z 1 NÖ ROG 2014 („Bebauung“) geht hervor, dass die straßenseitige Ansicht zur Verwirklichung einer geschlossenen Bebauungsweise nicht ausschließlich durch Gebäude bebaut sein muss, sondern auch durch andere Baulichkeiten [hier: Sichtschutzwände] bebaut sein kann, wobei die Bebauung straßenseitig in einer geschlossenen Flucht von seitlicher zu seitlicher Grundstücksgrenze vorhanden sein muss und die Bebauung durch Hauptgebäude überwiegen muss.  

Bei Erhebung der in der Umgebung eines bestimmten Grundstücks mehrheitlich verwirklichten Bebauungsweise nach § 54 Abs 1 NÖ BO 2014 ist nach dessen Wortlaut („alle Grundstücke im Bauland“) ein Grundstück, auf dem eine gesetzlich (§ 31 Abs 1 NÖ ROG 2014) vorgesehene Bebauungsweise […] vorhanden ist, jedenfalls zu berücksichtigen und zwar ohne Rücksicht darauf, ob dieses Grundstück im Grundbuch mit einem Punkt vor der Grundstücksnummer bezeichnet ist („Punktparzelle“) oder nicht. […] Auch das Ausmaß der Bebauung der Punktparzelle spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle, da eine Ausklammerung von nicht zu 100% bebauten (Punkt-)Parzellen aus der Erhebung nicht nur dem Wortlaut, sondern auch der Intention des § 54 Abs 1 NÖ BO 2014 zuwiderläuft.  

Volltext der Entscheidung