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ASVG: keine Parteistellung der Abgabenbehörde nach § 111a bei falscher oder nicht rechtzeitig erstatteter Meldung (§ 111 Abs 1 Z 1 zweiter und dritter Fall)


LVwG-S-2387/001-2020, 29.10.2021

Jede Ordnungswidrigkeit nach § 111 Abs 1 ASVG kann Gegenstand eines verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens sein und besteht eine Anzeigepflicht der Prüforgane der Abgabenbehörden des Bundes im Fall einer „Betretung“ hinsichtlich sämtlicher in Frage kommender Ordnungswidrigkeiten nach § 111 Abs 1 ASVG. Demgegenüber räumt § 111a ASVG den Abgabenbehörden Parteistellung in den dort genau bezeichneten Fällen ein. […]

§ 111a ASVG räumt den Abgabenbehörden Parteistellung in den dort genau bezeichneten Fällen ein, nämlich mit der Einschränkung, dass im betreffenden Verfahren eine „Betretung“ von Personen, die – entgegen § 33 Abs 1 ASVG – nicht vor Arbeitsantritt zur Sozialversicherung gemeldet wurden, erfolgt ist. Die Parteistellung ist daher auf die Fälle der Ordnungswidrigkeit des § 111 Abs 1 Z 1, erster Fall, ASVG beschränkt, da lediglich die gänzliche Unterlassung der Meldung vor Arbeitsantritt vom Wortlaut des § 111a ASVG umfasst ist.

Der Gesetzessystematik des § 111 Abs 1 Z 1 ASVG folgend, die ausdrücklich sowohl die Nichtmeldung als auch die nicht rechtzeitige Meldung als Ordnungswidrigkeit unter Strafe stellt, ist unter dem Begriff der „Nichtmeldung“ im Sinne des § 111a ASVG nur die gänzliche Unterlassung der Meldung (bis zum Betretungszeitpunkt) anzusehen.

§ 111a Abs 1 ASVG regelt die Parteistellung der Abgabenbehörden des Bundes und macht diese (ua) davon abhängig, dass deren Prüforgane „Personen betreten haben“. Die Rsp des VwGH (VwGH Ro 2018/08/0019) enthält rechtliche Ausführungen und eine sachliche Definition des Begriffes „unmittelbare Betretung“, hat jedoch mit der in § 111a ASVG darüber hinaus enthaltenen Regelung der Parteistellung nichts zu tun (vgl dazu sinngemäß VwGH Ra 2019/08/0017 zu § 113 Abs 2 ASVG).

Aus der Rsp des VwGH ergibt sich in Übereinstimmung mit den klaren gesetzlichen Vorgaben, dass § 111a Abs 1 ASVG die Parteistellung der Abgabenbehörden des Bundes und deren Beschwerde- und Revisionslegitimation in Verwaltungsstrafverfahren nach § 111 ASVG davon abhängig macht, dass deren Prüforgane Personen betreten haben, die entgegen § 33 Abs 1 nicht vor Arbeitsbeginn zur Sozialversicherung angemeldet wurden.

Ein die Parteistellung und die daraus erfließenden Rechte begründender Sachverhalt im Sinn des § 111a Abs 1 ASVG liegt nur vor, wenn Personen im Zuge einer Kontrolle betreten werden, die entgegen § 33 Abs 1 ASVG nicht vor dem Arbeitsantritt zur Sozialversicherung angemeldet wurden; davon sind jedoch jene Fälle nicht erfasst, in welchen eine Person verspätet zur Sozialversicherung oder falsch zur Sozialversicherung angemeldet wurde.

Die in § 111a Abs 1 ASVG normierte Parteistellung der Abgabenbehörden des Bundes wird nach dem klaren Gesetzeswortlaut auf jene Fälle des § 111 ASVG beschränkt, bei denen Prüforgane Personen betreten haben, die entgegen § 33 Abs 1 ASVG nicht vor dem Arbeitsantritt zur Sozialversicherung angemeldet wurden. Die in § 111 Abs 1 Z 1 ASVG weiters genannten Fälle der ordnungswidrigen Handlungen, nämlich einer falschen Anmeldung zur Pflichtversicherung oder einer nicht rechtzeitig erstatteten Anmeldung zur Pflichtversicherung, sind nicht erfasst. Diesbezüglich wird Kraft der ausdrücklichen Regelung in § 111a Abs 1 ASVG die Parteistellung der Abgabenbehörden des Bundes nicht begründet.

Volltext der Entscheidung